„Mit der einen Hälfte meines Herzens bin ich in der Türkei, mit der anderen in Deutschland.“
Ziya Yeşilkaya lebt seit 1973 in Deutschland
Ich wurde 1950 in Istanbul, Sarıyer geboren.
Die Schule besuchte ich in der Türkei. Später machte ich eine Lehre zum Schweißer.
In Istanbul hatten wir eine eigene Schiffswerft, durch die es uns finanziell sehr gut ging.
Damals wurden Weiterbildungskurse für Schweißer in unserer Werft angeboten. Die erfolgreichen Absolventen erhielten die Chance nach Deutschland zu reisen, um dort zu arbeiten. Auch ich hatte die Absicht die Türkei zu verlassen, nach Deutschland zu gehen, ein völlig neues Land kennenzulernen und mich vor Ort weiterzubilden.
Im Jahr 1973 kam ich nach Bremen. Bei der AG Weser-Werft arbeitete ich als einfacher Schweißer. Später nahm ich an einer Umschulungsmaßnahme teil und war schließlich auch in Deutschland qualifizierter Schweißer. Aufgrund meiner guten Noten durfte ich direkt am Schiff arbeiten und bekam einen höheren Lohn. Auf dem Schiff fror ich oftmals, aber da ich jung und ausdauernd war, machte mir die Kälte nichts aus.
Zu Beginn war es in Deutschland sehr schwer als Fremder eine Wohnung zu bekommen. Viele Deutsche hatten Vorurteile. Das größte Problem war das Wetter in Deutschland: Es war kalt und regnerisch. An das Klima konnte ich mich nur sehr schwer gewöhnen, aber alles andere gefiel mir sehr. Ich war abenteuerlustig und neugierig. Allmählich lernte ich das Leben hier zu lieben. Die Türkei vermisste ich nicht.
Der Berufsalltag hier ging sehr strukturiert vonstatten, auch wenn ich anfangs für eine Weile Probleme mit der Sprache hatte. Es dauerte jedoch nur ca. sechs Monate, bis ich die Sprache richtig lernte.
Etwas später lernte ich meine zukünftige deutsche Frau kennen. Sie war ein sehr guter Mensch und eine große Stütze für mich. Die Deutschen waren ebenfalls gut zu mir; ich habe keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht.
Nach ein paar Jahren bei der AG Weser-Werft wechselte ich zu einer Montagefirma. Ich verdiente fortan mehr Geld. Überall in Deutschland habe ich gearbeitet. Ich reiste von Stadt zu Stadt. Ich war glücklich. Die Montagearbeit war abwechslungsreich und führte dazu, dass ich mir die neue Sprache schneller aneignete. Ich spreche sogar Plattdeutsch.
Vor zwei Jahren starb meine Frau. Durch sie lernte ich das Leben hier und vieles mehr kennen.
Ich vermisse die Türkei nicht und habe auch kein Heimweh. Meine Mutter lebt nicht mehr, mein Vater ist heute 93 Jahre alt. Ich besuche ihn jedes Jahr in der Türkei.
Mit der einen Hälfte meines Herzens bin ich in der Türkei, mit der anderen in Deutschland. Ich denke nicht mehr daran zurückzukehren. Inzwischen habe ich mir mein Leben hier aufgebaut.
Seit neuestem bin ich auch in Rente. Seit gut 30 Jahren lebe ich hier, die deutsche Sprache beherrsche mühelos. Heute habe ich zeitweise größere Schwierigkeiten mit meiner Muttersprache Türkisch, da ich sie vernachlässigt habe.
Ich bin ein demokratischer Mensch, ich begegne anderen ohne Vorurteile. In Deutschland habe ich sehr viel über das Leben gelernt. Man sollte in religiöser, ethnischer oder sonstiger Hinsicht unvoreingenommen sein. Ich schätze diese und andere Werte hier. Ich bin glücklich und zufrieden hier.