Biografien

Özdal Dinçel

„An das Leben hier habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Wenn ich möchte, kann ich jederzeit in die Türkei reisen.“

Özdal Dinçel lebt seit 1964 in Deutschland


Ich wurde 1938 in Sivas, Hafik geboren.

Dort habe ich die Kunstschule für Mädchen, Fachbereich Schneiderei, besucht.

Im Alter von 17 Jahren wurde ich auf Wunsch meines Vaters verheiratet und bekam eine Tochter. Die Ehe hielt nicht lange. Wir trennten uns und ich ging mit meiner Tochter zu meiner Familie nach Istanbul, wo ich eine Stelle als Schneiderin fand.

Nach einiger Zeit entstanden Unstimmigkeiten zwischen meiner Familie und mir. Sie konnten und wollten meine Tochter nicht akzeptieren. Ich war gezwungen, mein Kind bei meinem Ex-Mann zu lassen. Aber die Probleme mit meiner Familie wurden schlimmer. Ich beschloss, Istanbul zu verlassen, denn zu dieser Zeit war es sehr schwierig, als geschiedene Frau alleine zu leben.

Im Jahr 1964 kam ich nach Deutschland. Ein Bekannter unserer Familie fand einen Arbeitsplatz für mich; aus diesem Grund hatte ich mich nicht beim Arbeitsministerium in der Türkei vorstellen müssen.

Ich nahm den ersten Zug von Istanbul-Sirkeci über München nach Bremen. Am Bremer Hauptbahnhof wurde ich von einem Firmenangestellten abgeholt und direkt in die für mich angemietete Wohnung gebracht. Es handelte sich um eine Einzimmerwohnung. Diese teilte ich mir mit einer anderen Frau, die ich bereits im Zug kennengelernt hatte. Nach kurzer Zeit zog ich um, wobei mir eine Bekannte half.

Die Firma Ewald Willy befand sich in der Kornstraße. Wir fertigten Blusen, ich bekam  wenig Geld. Um meinen Verdienst aufzubessern, arbeitete ich noch zusätzlich. Ich lieh mir von einem Bekannten Geld, kaufte damit eine Nähmaschine und arbeitete von zu Hause aus. Mein Nebenerwerb lief so gut so, dass ich mich dafür entschied, das Unternehmen zu wechseln. Ich fand eine Anstellung bei der Firma Bauermann, wo sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden waren. Sie boten mir eine Stelle als Vorarbeiterin an, die ich aber aufgrund meiner schlechten Deutschkenntnisse ablehnte.

Im Jahr 1978 heiratete ich erneut und bekam zwei Kinder.

Ein Jahr später eröffnete ich meine eigene Boutique, die gleichzeitig eine Schneiderei war. Ich hatte sieben Angestellte und das Geschäft lief sehr gut.

Mein Mann und ich trennten uns 1990. Mein Mann forderte aufgrund meines erfolgreichen Geschäftes einen hohen Unterhalt von mir. Ich wollte ihm nichts zahlen, weswegen ich meinen Laden aufgab und mich wieder der Tätigkeit, die ich von Zuhause ausführen konnte, widmete.

Heute bin ich 78 Jahre alt, pensioniert und lebe allein. In der Türkei habe ich keine Familie mehr. An das Leben in Deutschland habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Wenn ich möchte, kann ich jederzeit in die Türkei reisen.