Biografien

Ahmet Terkivatan

„Für mich ist mittlerweile die Türkei ein fremdes Land und Deutschland meine Heimat!“

Ahmet Terkivatan lebt seit 1971 in Deutschland


Ich wurde 1945 in Kahraman Maraş, Agcaşar, Elbistan geboren.

Seit meinem zwölften Lebensjahr arbeite ich.

Sehr früh starben meine Eltern. Deshalb entschied ich mich als Jugendlicher dafür, Elbistan zu verlassen und nach Iskendurun zu gehen.

Ich fand eine Anstellung in einer Eisenfabrik, wo ich bis zu meinem 16. Lebensjahr arbeitete. Später machte ich in Ankara eine Lehre zum Schweißer. Nach der Ausbildung arbeitete ich für ca. zwei Jahre als Aushilfskraft auf der HNO-Station (Hals-Nasen-Ohren) eines Krankenhauses.

Einem Radiobeitrag entnahm ich 1969, dass Deutschland türkische Arbeiter angeworben habe. Diese Nachricht weckte mein Interesse. Deshalb stellte ich mich beim Arbeitsministerium in Ankara für die Arbeitsaufnahme in Deutschland vor. Leider erhielt ich eine Absage. Daraufhin entschied ich mich, meinen Militärdienst abzuleisten. Nach dessen Beendigung ließ ich mich als Schweißer fortbilden.

1971 bewarb ich mich erneut beim Arbeitsministerium in Ankara für die Arbeitsaufnahme in Deutschland. Diesmal hatte ich Glück: Ich wurde für die ärztliche Untersuchung eingeladen, bei der wir von deutschen Ärzten untersucht wurden. Da ich keinerlei gesundheitliche Probleme hatte, bestand ich die Untersuchung und ich wurde zur Prüfung eingeladen. Die Prüfung wurde von Ingenieuren der AG Weser-Werft in Bremen durchgeführt. Nur zwölf der 105 Bewerber bestanden die Prüfung. Zu diesen zählte glücklicherweise auch ich. Zwei Monate lang wurden wir in Ankara zum Schweißer ausgebildet. Danach fuhr ich erneut nach Istanbul, um den nächsten Zug nach München zu nehmen. Ich hatte kaum Gepäck dabei; in meinem Koffer befanden sich nur wenige Kleidungsstücke.

Angekommen in München wurden wir von einem Mitarbeiter der AG Weser-Werft empfangen und fuhren gemeinsam nach Bremen. In Bremen wurden wir in den Heimen der AG Weser-Werft untergebracht. Unsere Unterkunft war in Bremen-Burg. Dort blieb ich für ein Jahr, bis ich mir eine eigene Wohnung mietete und dort einige Zeit allein lebte.

Im Jahr 1979 kaufte ich ein Haus im Bremer Stadtteil Gröpelingen und holte meine Frau und die Kinder zu mir.

Von 1971 bis 1983 arbeitete ich als Schweißer in der Schiffsreparatur der AG Weser-Werft. Ich führte spezielle Schweißarbeiten (E–Schweißen) auf Reparaturschiffen durch. Meine Arbeit erledigte ich mit viel Fleiß und gutem Gewissen. Die Firma AG Weser gab uns die Möglichkeit, uns weiterzubilden. Ich nahm an zahlreichen Seminaren teil und spezialisierte mich als Schweißer. Insbesondere aus Japan erhielten wir die neuesten Schweißgeräte. Sowohl diese als auch verschiedene Schweißtechniken beherrschte ich sehr gut.

Als die AG Weser-Werft 1983 schließen musste, dachte ich für kurze Zeit an die Rückkehr in die Türkei. Da ich aber sehr schnell wieder Arbeit bei der Firma Bremer Vulkan fand, blieb ich. Bis 1997 war ich bei Bremer Vulkan als Rohrschweißer angestellt. Das Unternehmen Bremer Vulkan, bei dem ich bis zu meinem 65. Lebensjahr arbeitete, wurde 2010 von einer holländischen Firma übernommen.

Wenn ich zurückblicke, so muss ich sagen: Ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Deutschland verbracht und habe viel gearbeitet. Meine Auswanderung nach Deutschland bereue ich nicht. Im Gegenteil! Deutschland ist ein sehr soziales und demokratisches Land. Ich fühle mich hier sehr wohl. In der Türkei würde ich nicht leben wollen und können. Eine Rückkehr kommt für mich nicht in Frage. Wenn ich überlege, heißt mein Nachname übersetzt auch ‚Verlassenes Land‘. Schon vor meiner Geburt migrierten meine Vorfahren in andere Dörfer in der Türkei, daher kommt der Nachname ‚Terkivatan‘ (‚Verlassenes Land‘).

Meine Kinder und Enkelkinder sind hier aufgewachsen und führen inzwischen ihr eigenes Leben. Für mich ist die Türkei mittlerweile ein fremdes Land und Deutschland meine Heimat!