Biografien

Dursun Gürlevik

„Wir bekamen für die Fahrt ein Lunchpaket.“

Dursun Gürlevik lebt seit 1973 in Deutschland


Ich wurde 1950 in Sivas, Zara geboren.

Um in Deutschland arbeiten zu können, bewarb ich mich 1973 beim Arbeitsministerium in Istanbul auf eine Stelle.

Zuvor hatte ich bereits in Istanbul beim Militär als Schiffsbauer gearbeitet. Nach einer gewissen Zeit bekam ich eine Zusage bei der AG-Weser Werft in Bremen. Für die Ausübung der Tätigkeit wurde ich zunächst untersucht und da die Ärzte zu dieser Zeit keine gesundheitlichen Einschränkungen bei mir feststellen konnten, wurde ich für die Prüfung beim Arbeitsministerium zugelassen.

Für die Prüfungen reisten extra Ingenieure und Übersetzer aus Deutschland an. Nachdem ich die Prüfung bestanden hatte, erhielten wir eine sechsmonatige Ausbildung, in deren Anschluss wir erneut geprüft wurden. Nach Abschluss der Prüfung flogen wir mit Condor von Istanbul nach München. Dort angekommen wurden wir von einem Übersetzer in Empfang genommen.

Er hatte ein großes blaues Plakat mit der Aufschrift „28 Bremen Fahrgäste“ als Wegweiser in der Hand. Wir wurden in den Zug nach Bremen gesetzt und bekamen für die Fahrt ein Lunchpaket, das einige jedoch wegwarfen, weil sie Angst hatten, dass es Schweinefleisch beinhalten könnte. Daran erinnere ich mich bis heute sehr gut. Wir reisten mit acht Personen nach Bremen und da wir über AG-Weser Werft nach Deutschland kamen, standen für uns Wohnungen in dem Heim der AG-Weser in Bremen-Burg bereit. Am nächsten Tag mussten wir uns direkt bei der Werft melden und sofort anfangen zu arbeiten. Ich wurde als Schiffsbauer in die Montage eingeteilt.

Hier arbeitete ich, bis mir 1978 wegen des Sozialplanes und dem damit zusammenhängenden Abbau von Arbeitsplätzen eine Abfindung von der AG-Weser angeboten wurde. Daraufhin beendeten wir das Arbeitsverhältnis in beidseitigem Einverständnis. Nach einer Woche begann ich bei Daimler-Benz, wo ich jedoch nur ein halbes Jahr lang blieb, weil die Arbeit viel zu schwer für mich war.

Ich bewarb mich anschließend auf eine Stelle in Hamburg. Leider bekam ich dort eine Absage mit der Begründung, dass ich zuvor in Bremen weniger als fünf Jahre beschäftigt worden war. Die Regel damals war, dass man fünf Jahre durchgehend gearbeitet haben musste, um in einer anderen Stadt angestellt werden zu können.

Ich kehrte also wieder nach Bremen zurück und führte hier Montagearbeiten durch. Dabei bemerkte ich zum ersten Mal während meines Arbeitslebens, was es bedeutet, ein Fremder zu sein. Wir Migranten wurden zum Arbeiten weit weg in andere Städten geschickt, während die deutschen Mitarbeiter in Bremen und Umgebung untergebracht wurden. Sie wurden klar bevorzugt, was uns sehr traurig machte.

Ich wechselte 1979 schließlich zur Deutschen Bahn und blieb dort, bis ich 2001 in Frührente ging.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich am Anfang nur ein Ziel hatte: Eine kurze Zeit zu arbeiten, Geld zu verdienen und mein Erspartes dann in der Türkei zu investieren. Die Rückkehr war geplant, doch als die Kinder kamen und sich eingelebt hatten, entschieden wir uns doch hier zu bleiben.

Nach einiger Zeit war die Türkei für uns fern und fremd geworden. Auch die wirtschaftliche und politische Situation in der Türkei beeinflusste natürlich verstärkt unsere Entscheidung zu bleiben. Heute würden wir ohnehin nicht mehr zurückkehren.